Scythe
Wir schreiben das Jahr 2042 – Die Rechenkraft der Computer wird unendlich und aus der Cloud wird der Thunderhead, eine allwissende Verkörperung des Internets. Mit dem Thunderhead kommt auch Unsterblichkeit, Wohlstand und unendliches Wissen, denn der Thunderhead löst die Probleme der Menschen besser, als sie es je konnten. Doch mit unendlichem Leben kommt auch eine stetig wachsende Bevölkerung, die zu neuen Problemen führt. Um dieses Problem zu lösen rufen die Menschen die Scythe ins Leben, eine vom Thunderhead unabhängig Organisation, deren Aufgabe es ist Menschen zu töten um so dem Bevölkerungswachstum in einer sonst so perfekten Welt entgegenzuwirken. Dabei müssen sie nur zehn einfache Regeln befolgen, die die Korruption der Scythe verhindern sollen und eine Quote von Tötungen pro Jahr erfüllen.
Cover von „Scythe: Die Hüter des Todes“
Cintra und Rowan werden von dem Scythe Faraday beide dazu auserwählt seine Schüler/-innen zu sein, auch wenn nur einer von ihnen im Endeffekt wirklich ein Scythe werden wird. So beginnt ein Wettkampf, doch sind die beiden wirklich in der Lage über Leben und Tod zu entscheiden?
Und was ist mit dieser anderen Gruppe von Scythe, die scheinbar zum Spaß tötet, die die Prinzipien der alten Scythe über Bord werfen wollen?
Dieses Buch ist das erste der „dystopischen“ Young-Adult Fantasy/Science-Fiction Reihe, geschrieben von Neil Shusterman und er schafft es wirklich eine interessante Welt zu erzeugen, von der ich gerne mehr erfahren möchte. Doch leider muss ich sagen, dass diese Lust, zum Mindestens bei mir, so langsam in Träumen überging. Denn ich denke es gab soviel was man aus diesem tollen Szenario hätte machen können, soviel von Shustermann verschenktes Potenzial.
Die Geschichte beginnt mit einem Kapitel von Cintra, der ersten Hauptcharakterin. Als der Scythe Faraday Cintras Familie besucht um noch etwas zu Abend zu essen bevor er die Nachbarin töten möchte, da fällt ihm Cintra auf, durch ihre Neugier und Offenheit auf, sodass er sich schließlich entscheidet sie als Lehrling zu nehmen.
Im zweiten Kapitel lernt der Leser Rowan kennen. Rowan fällt Scythe Faraday ins Auge als er, bei einer Tötung in seiner Schule, seinem Klassenkameraden Beistand leistet während alle anderen wegrennen um nicht selbst das nächste Opfer zu sein.
Rowan und Cintra sind durchweg solide Charaktere, wobei mir Rowan ein wenig besser gefiel auf seines nicht ganz so schwarz-weiß-gefärbten Charakters. Doch, für einen Young-Adult Roman typisch, muss sich natürlich eine Art „Romanze“ zwischen den Beiden anbahnen. Diese wirkt einfach nur gestelzt und fehl am Platz. Wirklich gut von den Charakteren her gefallen haben mir aber Scythe Faraday und Scythe Curie und hier ist es schade, dass man nicht mehr von ihnen zu hören bekommen hat.
Der Handlungsverlauf ist spannend, wenn auch relativ offensichtlich, aber ich habe mich zu keinem Zeitpunkt gelangweilt gefühlt. Der Anfang war ein bisschen ruckelig, gerade Rowans erstes Kapitel gefiel mir gar nicht, was wohl auch an dem Schreibstil lag an den ich mich erst gewöhnen musste.
Was mich aber wirklich oft aus meinem Lesefluss geworfen hat waren die Dialoge. Sie wirkten oft super unrealistisch und gestelzt. nur damit Person A nun endlich diesen witzigen Satz mit einer Pointe bringen konnte oder sie endlich zu einem bestimmten Endergebnis kommen würden. Aber vielleicht lag es ja an der deutschen Übersetzung.
Doch auch das war nicht mein wirkliches Problem mit Shustermans Roman.
Mein Problem waren die Scythe. Nicht die Idee an sich – die ist interessant. Viel mehr die Umsetzung. Ein wichtiger Aspekt der Tötungen der Scythe ist, dass sie diese ausführen dürfen, wie sie wollen. So gibt es keine Regeln für die Waffe, mit der, der Mord durchgeführt werden soll. Das ist einfach nur dämlich. Warum sollte es in einer so fortschrittlichen Welt wie dieser erlaubt sein Leute mit einem Flammenwerfer zu töten? Das sorgt nur dafür, dass „böse“ Scythe das Opfer langsam und qualvoll töten und „gute“ Scythe es schnell und schmerzlos tun. Es fühlt sich schon wieder so an als wäre hier nur eine Lücke gelassen worden um Platz für den Plot zu schaffen.
Und obwohl Shusterman betont, dass er eine von Anfang an eine Utopie gestalten wollte, so frage ich mich doch ob diese Idee denn gut ist. Denn jedes Buch brauch einen Konflikt und diesen herzustellen ist in einer perfekten Welt, in einer Utopie wie dieser, schwierig. Der Thunderhead scheint wie eine künstliche Intelligenz, die durchweg gut ist und fast alle Probleme der Menschheit löst. Da gibt es keinen Platz für eine böse „Verschwörung“, die Shusterman hier in seinem Buch aufbauen möchte und deshalb verstehe ich nicht warum Shuterman sich trotzdem für eine Utopie entschied.
Dass die Scythe nur 10 Regeln haben mag vielleicht für Übersicht sorgen, passt aber für mich nicht in eine sonst so fortschrittliche Welt. Außerdem fällt es mir schwer zu akzeptieren, dass wirklich niemand der Menschen darüber nachgedacht hat, dass auch mal ein Psychopath in die Position eines Scythes kommen könnte und so viel Unheil anrichten könnte.
Und so sind die vermeintlichen Antagonisten – diese neue Gruppe, die tötet weil sie daran Spaß hat – entstanden aus einer reinen Lücke mangelnder Logik, die Shusterman einbaute aus eben diesem Grund, in einer sonst so schlüssigen Welt. Und das ist einfach schade.
Auch dieser schwarz-weiß-gefärbte Konflikt gefiel mir nicht besonders. Es steht für den Leser einfach sofort fest, dass diese neue Gruppe schlecht ist, auch wenn die Charaktere zwischendurch daran zweifeln, auch wenn Shusterman wirklich probiert ihre Motive näher zu erläutern. Doch das gelingt einfach nicht, nicht bei einem so simplen Motiv.
Dieser nächste Teil ist nun subjektiv – noch viel subjektiver als ein Review ohnehin schon – und ich möchte mir nicht anmaßen ein besserer Autor als Shusterman zu sein. Doch ich denke, dass es sehr viel leichter wäre die Motive dieser neuen Scythe-Gruppe zu rechtfertigen, wenn man ihnen einen neuen „Antrieb“ geben könnte.
In einer Welt, in der alles schon erreicht wurde, in der die Krankheiten besiegt wurden muss man nur noch vor einem Angst haben – davor von den Scythe getötet zu werden. Die Scythe tragen entweder eine unendlich schwere Bürde, wie im Falle von Scythe Faraday, oder aber sie werden zu Göttern mit unendlicher Macht, wie im Falle von dieser neuen Gruppe von Scythe, verehrt vom ganzen Volk in der Hoffnung nicht selbst getötet zu werden. Warum also verschenkt Shusterman dieses Motiv nur um die Antagonisten zu Charakteren zu machen, die nur für den Spaß töten wo doch Ruhm sehr viel plausibler ist?
Neben diesem Problem finde ich es auch schade, dass diese Welt zwar so viele interessante moralische Fragen aufwirft, Shusterman diese aber entweder nur kurz behandelt oder gar nicht aufgreift. Ich meine Fragen wie: Was macht es mit uns Menschen in einer Welt zu leben, in der es nichts mehr zu erreichen gibt? Wo ist dort der Antrieb?.
Naja, vielleicht kommt das ja noch in der Fortsetzung, die inzwischen auch schon in Deutsch erhältlich ist. Doch hier geht es um den ersten Teil und wenn ich an diesen zurückdenke, dann denke ich an eine tolle Welt, ein tolles Ausgangs-Szenario doch leider auch an eine Unmenge von verschenktem Potenzial.