Mit jedem neu veröffentlichtem Spiel wird auch wieder eine neue Diskussion um ludonarrative Dissonanz begonnen. Doch wie ist das wirklich? Leiden Spiele unter ludonarrativer Dissonanz? Ist es nicht gerade für die Spieler? Und, die wahrscheinlich wichtigste Frage: Was ist das überhaupt?
Lasst mich die letzte Frage zuerst beantworten: Als ludonarrative Dissonanz wird der Konflikt, beziehungsweise der Widerspruch, zwischen Handlung und der Spielmechanik, dem „Gameplay“, bezeichnet. Ein einfaches Beispiel dafür wären die Tomb-Raider Spiele. Lara Croft ist eine junge Frau mit einem großen Gerechtigkeitssinn und Pragmatismus doch das nur in den Cutscenes. Während man spielt schlachtet man sich nämlich genau als diese Lara Craft durch unzählige Gegner-Horden, sei es nun mit Axt, Bogen oder Maschinengewehr. Es besteht also ganz klar ein Konflikt zwischen Spielmechanik und Handlung, eine ludonarrative Dissonanz.
Natürlich ist es nicht schön, dass es so etwas nicht gibt doch der eigentliche Grund für ludonarrative Dissonanz ist ganz einfach. Es geht um ein besseres Spielgefühl. Wer möchte schon ein Spiel spielen, in dem nur das möglich ist, was von der Handlungsperspektive auch zugelassen wird? Ein Tomb Raider, in dem Lara Croft nicht mal annähernd so viel schießt? Und davon mal abgesehen, habt ihr mal darüber nachgedacht was für einen Leichenberg wir nach dem Beenden eines normalen Spieles zurücklassen? Nach einem Wolfenstein 2, einem Schatten des Krieges, ein Assasins Creed oder eben einem Tomb Raider? Ist das narrativ überhaupt zu rechtfertigen?
Die Antwort ist ein klares „Nein“, in den meisten Fällen ist der Charakter nicht in der Lage diese Masse an Gegnern zu bewältigen. Doch wie wäre es denn ohne? Ich denke ich bin nicht der einzige der weniger Spaß an einem Spiel hätte, dass mich zugunsten narrativer Freiheit einschränkt. Außerdem würde ein ganzes Genre wegfallen, welches oft zu ludonarrativer Dissonanz neigt: Die Open-World Spiele. Ein Witcher 3 hat zwar den Anspruch an eine tolle, großartige, authentische Story doch auch hier gibt es Spuren von ludonarrativer Dissonanz. Von den Ubisoft-Spielen einmal ganz zu schweigen.
Ludonarrative Dissonanz gibt es also um das Spielerlebnis besser zu gestalten und das ist auch gut so. Doch es gibt eben auch Kandidaten, die das Ganze ein Wenig zu weit treiben. Was mir als letztes ins Auge stieß war das Neue Add-On für Assassins Creeds Origin, welches einen in die ägyptische Welt der Götter führt. Stellt euch folgendes vor: Bayek, ein streng gläubiger Ägypter, betritt die Welt der Götter. Er sollte nun von Ehrfurcht erfüllt sein, meinetwegen auch von Glück. Doch was passiert? Bayek, dieser streng gläubige Ägypter, fängt an all die mythischen Wesen der Welt zu jagen für den Loot. Er fängt an diese heiligen Kreaturen, der er sonst immer so achtete, abzuschlachten. Und es scheint so, als hätte er nicht mal ein Problem damit. Ludonarrative Dissonanz in ihren schlechtesten Zügen.
Oder ein anderes Beispiel aus der AC-Reihe. Gerade in den ersten Teilen wurde gepredigt, dass Assassinen leise und aus dem Schatten agieren, ihre Opfer ermeucheln und dann wieder verschwinden. Doch trotzdem rennt fast jeder Spieler offen durch die Welt, sammelt so viele Gegner wie möglich vor sich und bringt sie alle der Reihe nach um. Das genaue Gegenteil von dem, was ein „wahrer“ Assassine tun sollte und auch tun konnte. Doch trotzdem war es möglich, einerseits um Spielspaß zu ermöglichen, andererseits um es massen-tauglich zu machen. Denn, auch wenn einige Spaß am Herumgeschleiche haben, andere haben es nicht und deshalb müssen andere Möglichkeiten her. Auch hier also wieder starke ludonarrative Dissonanz.
Es scheint so schwer sie aus Videospielen zu verbannen, die Meisten glaubten nicht, dass es möglich war. Und trotzdem gab es dort diesen Kick-Starter Titel, der sich genau das als Ziel setzte. Ludonarrative Dissonanz ausmerzen und so ein authentisches Spielgefühl zu erzeugen, welches es vorher so nicht gegeben hatte. Und das schien auch das zu sein, was viele Spiele wollten, denn der Titel sammelte schnell genug Geld um in Entwicklung gehen zu können. Einige von euch konnten sich bestimmt schon denken wovon ich rede: „Kingdom Come: Deliverance“, dem ersten Teil der „Kingdom Come“-Reihe.
Das Spiel ist nun seit Februar zu verkaufen und das tat es auch erstaunlich gut, sodass sich weitere Teile der Reihe in Entwicklung befinden. „Kingdom Come: Deliverance“ ist das Musterbeispiel, dass das Spielgefühl nicht leiden muss zugunsten der Handlung. Es ist ein großartiges Spiel mit kniffligen Kämpfen, tollen Minigames, zum Beispiel beim Schlösserknacken, gut durchdachten Haup- und Nebenquests und es bleibt trotzdem schlüssig. Wenn wir also gegen zwei Gegner ran müssen, dann sieht es schon einmal eng aus, vor allem wenn sie besser ausgerüstet sind. Doch das macht nichts, das Spielen macht trotzdem unglaublich viel Spaß.
Wie möchte ich diesen Essay nun also zu Ende bringen? Ich denke es wurde bewiesen, dass ludonarrative Dissonanz in Video-Spielen kein Muss ist. Es ist vielmehr ein Versuch das Spiel massentauglich zu machen, denn der Spielspaß ist auch so gesichert. Ich sage also, wir brauchen mehr Spiele die „Kingdom: Come Deliverance“, denn die Handlung ist es, was gute Spiele von großartigen unterscheidet. Und die Handlung sollte auch dann noch stimmig sein, wenn die Cut-Scene aufhört, wenn das Gameplay beginnt. Also bitte ihr großen Spiele-Entwickler und Publisher: Nehmt euch ein Beispiel.