Eines Tages traf Oliver Sacks auf einen Mann, der sich an sein gesamtes Leben seit 1945 nicht mehr erinnern konnte. Jedes bisschen Erinnerung an gerade eben, gestern, oder an das, was der Mann vor einer Woche getan hatte, entfiel ihm direkt wieder. Schrieb er sich die Dinge auf, konnte er sich selbst beim Lesen nicht mehr daran erinnern- Er wusste zwar, dass das dort seine Schrift war, aber er bestritt es tatsächlich geschrieben zu haben.
Noch viel ausführlicher und auch aus neurobiologischer Sicht beschreibt Oliver Sacks seine Zeit mit dem Mann in seinem Buch „Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte“ (engl. „The Man Who Mistook his Wife for a Hat and Other Clinical Tales„), welches ich allen nur ans Herz legen kann. Eine Rezension wird noch folgen. Doch er stellte sich unweigerlich auch die Frage nach dem Bewusstsein. Was ist ein Mensch schon ohne seine Erinnerungen, ohne sein Gefühl für das jetzt? Lebt er überhaupt oder lebt er nur als Schatten seiner Vergangenheit?
Es ist schwierig unser Bewusstsein für uns selbst und dafür, dass wir da sind zu erforschen und zu erklären (für mich als einfachen Schüler ohnehin). Dieser Artikel ist auch weniger zum Informieren da, eher zum Nachdenken. Tatsächlich lässt es sich bis heute nicht erklären. Fest steht nur, dass wir ein ausgeprägtes Ich-Bewusstsein haben. Doch wieso und wodurch wissen wir nicht.
Es gibt viele verschiedene Thesen. Evolutionsforscher, Neurologen und nicht zuletzt die Philosophen haben alle eine Interesse daran des Rätsels Lösung zu finden und doch könnten die Thesen nicht unterschiedlicher sein.
„Cogito ergo sum (Ich denke, also bin ich)“, sagte René Descartes schon im 17. Jahrhundert. Was er damit meinte ist, dass man sich zwar in seinen Gedanken täuschen kann, man doch aber trotzdem denkt. Selbst wenn ich denken würde, dass ich nicht existiere, beweist es doch genau das Gegenteil, denn genau das dachte ich in diesem Moment wodurch meine Existenz wieder bewiesen wäre. Schon vorher entschied Descartes, dass wir unseren Körper und unseren Geist trennen müssten, also dass es einen anderen Teil gäbe, quasi unser Gehirn. Diese Auffassung hält sich teils bis heute.
Doch viel ist seit dem passiert, aus wissenschaftlicher und geisteswissenschaftlicher Sicht, und es gibt weitere Theorien. Einige sagen so etwas wie ein Bewusstsein gäbe es gar nicht. Es ist nur etwas, dass unser Gehirn erfindet. Unser Bewusstsein ist nur das Produkt unser Wahrnehmung, das heißt unserer Sinne. Und wenn diese einmal nicht ganz so funktionieren wie sie sollen, dann kann unser Bewusstsein auch schnell mal zu falschen Schlüssen kommen. Unser Bewusstsein ist demnach nur eine Sammlung all unserer Empfindungen, die unser Gehirn uns dann als Bewusstsein verkauft um eine stimmige Geschichte zu erzeugen. Es ist also eine große Lüge.
Evolutionsforscher sagen unser Bewusstsein ist nur ein Spiegel der Gesellschaft. Es ist für unsere kommunikative Kompetenz von Nöten und half dem Homo Sapiens Sapiens sich durchzusetzen. Es ist es, was es am stärksten von unseren nähsten Verwandten, den Schimpansen unterscheidet.
Es gibt keinen Ort im Gehirn, der für unser Bewusstsein verantwortlich ist. Neurologen sind sich einig, dass es irgendwo in der linken Gehirnhälfte entsteht. Wir sind das einzige Wesen, dass gegen unsere Interessen handeln kann findet Jürgen Habermas. Nicht unbedingt sagen die Neurologen, auch wenn unsere Interessen weitaus komplexer sind als die eines Affen, vor allem sozial gesehen. Wie auch schon in der ersten Theorie glauben Neurologen, dass unser Bewusstsein eigentlich nicht wirklich da ist. Es wird uns nur vorgegaukelt. Unser Gefühl selbst Entscheidungen zu treffen ist nur eine Illusion, erzeugt durch unser vorgegaukeltes Bewusstsein. Letztendlich entscheiden wohl doch unsere Interessen darüber was wir tun. Eine traurige Vorstellung, finde ich.
Es ist aber noch lange nicht das letzte Wort in dieser Diskussion und vielleicht bleibt die Frage um uns selbst und unser Bewusstsein für immer ein ungelöstes Rätsel. Einig sind wir uns nur, dass dort etwas ist. Und so hat Descartes doch Recht. Ob der Mann ohne seine Fähigkeit der Erinnerung dann auch ein Bewusstsein hat ist eine weitaus schwierigere Frage. Er denkt wie jeder andere doch ohne sich daran zu erinnern sind wir nicht fähig ein Bewusstsein zu entwickeln, denke ich. So lebte er wohl als ein Schatten seines früheren Ichs, sein Bewusstsein blieb 1945 stehen und er war sich nichts mehr danach bewusst.